Texte zur Musik

Zwischenwelten

Die Suche nach meinen iranischen Wurzeln beginnt in der Welt der Musik. Orientalische Einflüsse in unserer Klassik zu finden ist leicht: Spätestens der Impressionismus greift eindeutig nach Orientalismen. Kulturelle Grenzen einreißen bedeutet für mich in der Fremde zu verweilen, mich in ihr für einen Augenblick einzurichten, um mir Zwischenräume zu eröffnen, in denen ich mich frei bewegen kann.

Musik schafft es als universelle Sprache in diese Nischen vorzudringen und Unausgesprochenes zu erzählen. Als sanfter Fluss bewegt sie sich zwischen Herz und Verstand und kann sich  – wenn wir es zulassen  – zu einem gewaltigen Strom ausbreiten, der uns geradezu überflutet. Wenn ich dann loslasse, fühle ich mich frei.

Klänge scheinen auf einem Urinstinkt zu beruhen, der uns erlaubt, jede Musik unmittelbar zu erleben. Welche Ebene wir dabei betreten, bleibt uns überlassen. Musik nimmt fremde Einflüsse in sich auf. Sie lässt sich umschreiben, umformen und in immer neue Gewänder kleiden. Manches geht auf, manches nicht  – wie etwa die wohlgemeinten Klavierbegleitungen des 19. Jahrhunderts für Bachs „Ciaccona“, die uns heute unantastbar erscheint.

When words leave off — music begins.

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Zwischenwelten

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Bachs universelle Sprache

„Ciaccona“ wohnt eine besondere Kraft inne. Sie prophezeit uns den ewigen Kreislauf des Seins, indem sie jeden Aufbau in ihre ursprüngliche Bestandteile zerlegt, wie in Moleküle, die sich in Atome aufspalten, sich wieder verbinden und Neues schaffen. Stellenweise scheint es, als würde sich diese Musik aus den Zwängen des Notentextes befreien, um sich haltlos in schwindelnde Höhen und Tiefen zu bewegen. Dann wiederum lässt sie sich einfangen, sie beruhigt sich und erdet uns. Diesseits und Jenseits scheinen sich für einen Augenblick zu verbinden. Obwohl allein im unendlichen Raum, fühlt man sich mit dem großen Ganzen in einer Magie der Einheit verbunden.

Die vergessene Modernität im Impressionismus

Ravels progressive Musik braucht in unserem Jahrhundert wieder Unterstützung. Sie modern zu inszenieren ist mir ein Bedürfnis. Der Impressionismus steht nicht im Zeichen der Romantik, er weist nach vorne, in die Transparenz und Transzendenz. Die von mir mit experimentellen Klavierklängen unterlegte Violinkadenz von Tzigane versucht dem gerecht zu werden.

Virtuosität als Programm (-musik)

Eine Figur, die unterschiedliche Welten durchdringt und auch heute nichts von ihrer Aktualität verloren hat, ist für mich die Carmen. Sie gibt niemals auf, zeigt keine Schwäche und steht für Mut und Blut, Stolz und Verletzlichkeit. Meine Bearbeitung beruht auf der Fantasie von Pablo de Sarasate und bewegt sich zwischen Orient und Oxident.

Die Brücke zum Orient

Weder ganz im Traum noch in der Wirklichkeit erklingt das Song-Poem von Khatchaturian. Hinter dem Klangvorhang seines Vorspiels verbirgt sich die mystische Welt des Orients, mit seinen Düften, Geschichten und verwunschenen Orten. In ihr verschmelzen sich die Welt des Traums und der Wirklichkeit. Die Melodien der Persischen Weisen richten sich hingegen direkt an unser Inneres, in Anlehnung an die folkloristischen Gesänge und Tänze des Irans. Als (Fremd)-Sprache führt mich Musik so auf eine Reise der Vielfalt.

Danke

Despina Apostolou – Klavier
Teresa Kunz – Tontechnik
Ferdinand Paul – Film
Ulrike Lungert – Fotografie
Hendrik Müller – Projektgestaltung
Ludmila Lorenz – Webdesign
Kunstverein Montez Frankfurt
Orangerie Frankfurt

in besonderen Dank an meinen Mann
Carl-Michael Constantin

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