9. Oktober 2022 | |
19:00 | |
Kunstverein Familie Montez | |
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Max Reger: Sonate Nr.9 c-Moll op. 139 für Violine und Klavier
Arnold Schönberg: Fantasie für Violine und Klavier op. 47
Richard Strauß: Sonate Es-Dur op. 18 für Violine und Klavier
Jürgen Kruse: Klavier
Puschan Mousavi Malvani: Violine
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Kommt es in der Krise zur Heilung? Über vier Jahre wurde in der Klassik Krise die Spaltung der Klassischen Musik besprochen und bespielt. Zentral die Auseinandersetzung Schumann – Wagner, aber auch Gallionsfiguren wie Paul Hindemith. Das Bindeglied „Zweite Wiener Schule“ wurde noch ausgespart. Endlich ist es so weit: wir schauen hinein in die Krux.
Über Max Reger schrieb Paul Hindemith: „Der letzte Riese der Musik. Ohne ihn bin ich nicht denkbar.“ Richard Strauß kann als letzter großer Romantiker bezeichnet werden. Natürlich verschweigen wir nicht seine Stellung als Chef der Reichskulturkammer in der Nazizeit. Arnold Schönberg ist das Gegenstück: jüdisch, progressiv, einer der Köpfe der 12-Ton Musik und mitverantwortlich für den AUSTRITT aus der Romantik.
Ein Gipfeltreffen in der Klassik Krise, zu dem ich den Pianisten Jürgen Kruse aus Stuttgart einlade.
Gemeinsam folgen wir den Windungen der Musikgeschichte. Tauchen in den See der Erkenntnis in Regers 9. Sonate für Violine und Klavier. In seiner Sprache schafft es Reger zwischen Wagnerianischer Größe und Schubert‘scher Reduktion zu vermitteln. Bringt die Wirren der Romantik zum Erliegen und breitet ein Feld aus, welches aus allem resultiert und einsam wacht.
In Schönbergs Fantasie stoßen wir auf Entfremdung. Eine neuendeckte Insel, die immer schon existierte, auf der andere Gesetzte herrschen. Erst bei genauerer Betrachtung können wir Zusammenhänge finden. Aus überreifen, exotischen Früchten tropft es Miniaturen, in denen wir Spuren von Symanowski, Schumann, aber auch Beethoven finden. Alles scheint auf dem Kopf, oder ist das die neue Ordnung? Rituell führt Schönberg durch sein Werk, fragt nicht nach unseren Werten, braucht keine Zustimmung. Wer zuhören kann, ist auserwählt.
Richard Strauß Sonate Es-Dur ist bereits in seiner Jugend skizziert worden. Opulent, draufgängerisch, kapriziös und mit einem wahnwitzigen Verständnis für gesungene Linien, überwältigt uns Strauß. Die Verzweiflung der schwindenden Romantik, die seine späten Jahre prägen, kann in seiner harmonischen Obsession vor empfunden werden. Der langsame Satz ist mit „Improvisation“ betitelt und enthält den Gestus, der bis dahin dem Improvisieren der Klassischen Musik innewohnt. Prachtvolle Verzierungen, entleerende Einfachheit, aufwühlende Ektase, himmelsgleiche Arpeggien.
Diese unendliche Schönheit war und ist vom Aussterben bedroht. Hinter Richard Strauß fällt der Schatten des Nicht-Loslassen-Könnens. Tragisch stirbt der Held an seinem blinden Fleck.