3. Dezember 2022 | |
19:00 | |
Frankfurt am Main | |
Schweizer Straße 5 | |
Stadtplan |
Im Herzen Frankfurts, an den Museumspark anschließend, findet sich ein altes Haus. Wer es betritt, kann das Gefühl bekommen eine Zeitreise anzutreten. Bemalte Deckengewölbe, alter Stuck und Parkett. Ein großer Salon, in der Mitte ein brauner Flügel, durch die Fenster und Türen geht ein Wind und es ist, wie es auch vor 100 Jahren in Frankfurt war.
„Kann es wirklich Liebe sein?“
Franz Schubert: 3 Klavierstücke D946
Wolfgang Amadeus Mozart: Sonate für Klavier a-Moll KV 310, Sonate A-Dur KV331
Johann Sebastian Bach: Solosonate für Violine BWV 1003
Violine, Klavier & Moderation: Puschan Mousavi Malvani
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Schweizer 5 // Schweizer Str.5 60594 Frankfurt
Eintritt: 30/15(ermäßigt) Euro
Karten an der Abendkasse ab 18.30h
Anmeldungen möglich: puschanmousavi@gmail.com
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„Kann es wirklich Liebe sein?“
Hinter all dem Leid, dem Getöse der Welt, hinter all dem Streit? Wenn wir Franz Schuberts Schlussworten lauschen, könnte man fast wieder daran glauben. Der freie Fall in den letzten Jahren des freien Künstlers scheint bodenlos. In seinen späten 3 Klavierstücken obsiegt sein Handwerk der Verzweiflung. In es-Moll rollt die erste Welle heran. Überschlägt sich und läuft aus. Das Prinzip der Veränderung. Schubert erhebt sich als Meister der Selbsterkenntnis. Sein Ich produziert die Wellen. Eine nach der anderen donnert in unserer Bucht des Zweifelns. Türmen sich auf – erbarmungslos. Erst im Tod finden wir das Prinzip der Liebe. Unermüdlich an unserer Entwicklung interessiert, assistiert ihr das Schicksal. Erst wenn wir nichts mehr zu verlieren haben, können wir der Dinge Bedeutung verstehen. Schubert hatte schon zeitlebens diesen Zustand. Nicht einmal das eigene Leben wird als Gegenwert angesehen. So taucht er ab in unsere kollektive Angst und offenbart uns ihren Ursprung. Im zweiten Satz ist es, als führe uns Schubert Etage für Etage hinab ins Unterbewusste. Ein Aufzug, der abwärts führt. Schichten des Grauens – Illusionen, Projektionen? Nur der gläserne Kasten schützt uns vor dieser Realität. Im finalen Stück regiert die Lust des Verstehens. Wieder aufgetaucht, könnte alles anders sein. Schubert führt uns seine Befreiung vor, die euphorisch und nicht endlich wirkt. Ein Emporheben, kein Brechen, kein Stützen. Ohne Glaskasten in die Höhe, getragen von wahrhaftiger Liebe zur Existenz.
Mozart so wandelbar, so anders. Die Maskerade Mozarts ist kein Versteckspiel. Vielmehr dienen die Masken uns, um nicht alles auf einmal erfassen zu müssen. Die Sonate a-Moll ist 1778 in Paris geschrieben. Mozart ist 22 Jahre und erforscht neue Felder seiner kompositorischen Möglichkeiten. Der Kopfsatz taucht sofort in die Klangwelt der Stadt ein. Dicht und doch transparent, impressionistisch in Licht getaucht, dann doch gewalttätig. Mozart sieht die Gefahr des Ertrinkens in einer anonymen Metropole. Hier können wir eine Maske abnehmen. Mozart beobachtet die Gefahr für andere Menschen. Er selbst – oder sein Genie- thront über jeder Stadt, jedem Land und dieser Welt. Seine Isolation ein Schutz. Im zweiten Satz reicht er uns Sterblichen die Hand. Ein so ungewöhnlicher Satz. Säulen werden gebaut, um zu zerfallen. Sand und Staub hüllen all unsere Ideen ein. Die Unendlichkeit nur im Auflösen. Das Finale singt das Lied des Gehens. So verschwinden alle Städte, alles menschengemachte und es bleibt die ewige Landschaft. Für uns lebensfeindlich, für die Ewigkeit zu ertragen.
Seine A-Dur Sonate ist in Licht getaucht. Glocken, so hell, ja süß – überirdischer Friede. Die Variationen teilen das Licht, lassen es wandern, spielerisch formieren, sich abdunkeln, spiegeln, ausbreiten. Die Idee des Lebens in Licht geboren. Das Menuett gleicht der Einweihung des Lebens. Ein Ritual der Vorbereitung. Im Trio werden gute Absichten manifestiert. Der möglichen Umkehrung des Lichts Tribut gezollt. Und so beginnt im Finale das Leben zu fließen. Ein Bach, der das Fremde umschmeichelt, sich biegt und wendet, um den gemeinsamen Rhythmus zu finden, auf dem die Hymne des Lebens gesungen wird.
Bachs Solosonaten für Violine werden auch von mir oft mit einem inneren Leidensweg verbunden. Zum Ende dieses Jahres 2022 versuche ich eine Neuinterpretation und konzentriere mich auf die unbändige Spielfreude, die aus dieser Musik empor sprudeln kann. Die großen Akkorde auf der Violine im Eröffnungssatz, die variationsreichen Umspielungen, das Innehalten, Ausatmen. Die Vorsicht, mit der Bach die Violine zum Weinen bringt, um sich bis zu einer Klage zu erheben. Alles mit der Liebe zum Klang des Instruments, dem eine eigene Stimme innewohnt. Die Fuge verfügt über ein Kraftfeld. In kleinen Schritten nähern wir uns dem Zentrum. Wie beim Bergsteigen muss jeder Tritt gesichert sein. Erst auf dem Tableau können wir die Erhabenheit genießen. Das Andante ist schwerelos, als könnten wir fliegen. Von der Bergspitze bis zum Boden hinuntergleiten. Ein Zustand, der uns temporär über die Grenzen der Zeit und der Schwerkraft hinwegsetzt. Das Finale gleicht dem Landeanflug. Plötzlich muss navigiert werden. Die Schwerkraft wieder spürbar, der Widerstand im Fallschirm real. Die Gefahr des Sturzes gegenwärtig. Bach lenkt uns in die richtige Schneise und erlaubt uns, das letzte Stück sanft hinabzusegeln. Glatt fällt der Schirm hinter uns zur Erde und das Abenteuer klingt in unserem Körper nach.